17.11.2020

Radar für die holistische Bewertung von Treibhausgasverminderungsmaßnahmen in der Industrie

Zusammenfassung

Bei der Bewertung von Treibhausgas (THG)-Verminderungsmaßnahmen wird der Fokus meist auf techno-ökonomische Aspekte gelegt, und das, obwohl eine Reihe von weiteren ökologischen, rechtlichen und sozio-politischen Kriterien für eine holistische Bewertung berücksichtigt werden sollten. In dieser Veröffentlichung wird ein Ansatz zur ganzheitlichen Bewertung von industriellen THG-Verminderungsmaßnahmen vorgestellt. Hierzu zählt u.a. das Radar zur holistischen Bewertung industrieller THG-Verminderungsmaßnahmen, welches Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Politik bei der Maßnahmenbewertung unterstützen soll.

Der Mehrwert des Radars (Abb. 1) ergibt sich aus den nachfolgenden drei Aspekten:

  • Das Entscheidungsproblem wird strukturiert und die relevanten Bewertungsdimensionen aufgezeigt.
  • Durch ein Ampelsystem wird eine praxistaugliche Bewertung der Maßnahme(n) je Kriterium ermöglicht
  • Die Kriterienclusterung, das Ampelsystem sowie eine Reihe von Ausschlusskriterien erleichtern die Identifikation einzelner Hemmnisbereiche.

Die Bewertungsergebnisse stellen die Grundlage für die Ableitung von Strategien zur Hemmnisbewältigung dar. In Abhängigkeit der Stakeholderperspektive können dies sowohl politisch-regulatorische Maßnahmen als auch Argumentationsketten für die Beseitigung unternehmensinterner Widerstände sein.

Ausgangslage

Ausgangspunkt und Inspiration für die Erstellung des Bewertungsradars sind Schwachstellen der gängigsten wissenschaftlichen techno-ökonomischen und ökologischen Bewertungsmethode für Verminderungsmaßnahmen, den sogenannten THG-Verminderungskostenkurven (VKK) [1]. Anhand von Beispielen und Verweisen auf weiterführende Literatur, werden Möglichkeiten zur Abschwächung der zentralen Nachteile von VKK vorgestellt. Anschließend wird die Maßnahmenbewertung mittels VKK um weitere Kriterien ergänzt. Hierdurch wird einer der zentralen Kritikpunkte entkräftet. Schlussendlich ergibt sich ein idealtypischer Bewertungsablauf, der sowohl systemische als auch praxisnahe Bewertungskriterien umfasst.

Welche zusätzlichen Kriterien sind für die Bewertung von THG-Verminderungsmaßnahmen relevant?

Die Metaanalysen [2] und [3] zeigen, dass bereits eine Vielzahl von multikriteriellen Analysen (MKA) zur Entscheidungsfindung bei der Technologie- bzw. Maßnahmenauswahl im Energie- und Nachhaltigkeitsbereich existieren. Auch konkret auf den Industriesektor zugeschnittene Entscheidungsunterstützungssysteme (EUS) wurden in der Vergangenheit entwickelt. Das Bewertungsradar unterscheidet sich von den bisherigen Analysen wie folgt:

  • Das Radar stellt eine Entscheidungshilfe für Stakeholder aus Wirtschaft und Politik dar. In der Regel werden EUS für eine Perspektive definiert
  • Ziel des Radars ist die Bewertung von Einzeltechnologien sowie Technologiepaaren, nicht die Ermittlung einer eindeutigen Rangfolge aus einer Liste von Alternativen.
  • Aus 1 und 2 geht hervor, dass das Radar Gültigkeit für eine Bandbreite an Bewertungssituationen besitzt. Es erfolgt keine Kriteriengewichtung, da die Gewichte stark von der Entscheidungsperspektive und den definierten Alternativen abhängen [3]
  • Anstatt der Kriteriengewichtung erfolgt die Definition von perspektivenunabhängigen Ausschlusskriterien, die dazu dienen dem Anwender schwerwiegende Hemmnisse für die Maßnahmenumsetzung aufzeigen.

Literaturverzeichnis:

[1] McKinsey & Company, Inc.: Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland. New York City: BDI initiativ – Wirtschaft für Klimaschutz, 2009.
[2] Wang, J.-J.; Jing, Y.-Y.; Zhang, C.-F; Zhao, J.-H.: Review on multi-criteria decision analysis aid in sustainable energy decision-making in: Renewable and Sustainable Energy Reviews (Ausgabe 9/2009). Amsterdam: Elsevier Ltd., 2009.
[3] Ibáñez-Forés, V. et al.: A holistic review of applied methodologies for assessing and selecting the optimal technological alternative from a sustainability perspective. In: Journal of Cleaner Production 70 (2014) 259-281. Castellón: Universitat Jaume, 2014.