Abbildung 1: Wärmeverluste in einer Heizungsverteilung
Erschienen in:
HLH Bd. 64 (2013) Nr. 3 - März, S. 25 - 28
Offizielles Organ des VDI für Technische Gebäudeausrüstung
Autoren
Anna Gruber (Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft mbH),
Serafin von Roon (Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft mbH),
Karin Wiesemeyer (Forschungsinstitut für Wärmeschutz e.V.)
Abstract
Die Bundesregierung will im Rahmen der Klimaschutzziele die CO2-Emissionen bereits bis 2020 deutlich reduzieren. Allein 40 % der CO2-Emissionen in Deutschland können auf den Gebäudesektor zurückgeführt werden. Wie hoch die Wärmeverluste von technischen Anlagen in der Industrie sind, ließ sich aufgrund nicht vorhandener Datenerhebungen bislang nicht seriös abschätzen.
Im Rahmen eines Forschungsprojektes zur Ermittlung des Einsparpotenzials durch technische Dämmungen in der Industrie wurden die Wärmeverluste von betriebstechnischen Anlagen (BTA) verschiedener Unternehmen durch die FfE GmbH detailliert bestimmt. Dabei wurden die Wärmeverluste ausgewählter Rohrleitungen, der zugehörigen Bauteile (Pumpen, Armaturen etc.) sowie der Anlagen(-teile) erfasst und daraus die Gesamtwärmeverluste berechnet. Das Projekt wurde in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut für Wärmeschutz München (FIW München) durchgeführt und durch das Bayerische Staatsministerium gefördert.
Methodik
Für die Erfassung der Wärmeverluste in den Unternehmen wurde ein standardisierter Prozess inklusive Aufnahmeblatt entwickelt. Damit wurden Daten zu Rohrleitungslängen, Dämmdicke oder der Anzahl an Flanschen, Armaturen, Pumpen und Abhängungen systematisch erfasst.
Die Wärmeverluste betriebstechnischer Anlagen wurden in sechs Industrieunternehmen unterschiedlicher Branchen ermittelt. Die Unternehmen sind den folgenden Branchen zuzuordnen:
- Ernährung
- Maschinenbau
- Chemie
- Kraftfahrzeuge
- Eisen/Stahl, Nichteisenmetalle
Bei der Aufnahme der Daten wurde zwischen Raum- und Prozesswärme sowie Klima- und Prozesskälte unterschieden. Die Untersuchung beinhaltete verschiedenste betriebstechnische Anlagen zur Wärme- und Kälteerzeugung und -verteilung. Folgende Anlagen wurden bei der Begehung detailliert untersucht:
- Heißwasser
- Heizkessel
- Speicher
- Übergabestationen
- Rohrleitungen (innen- und außenliegend)
- Dampf
- Dampfkessel
- Übergabestationen
- Rohrleitungen ( innen- und außenliegend)
- Prozesswärme
- Kessel
- Übergabestationen
- Rohre (innenliegend)
- Prozessanlagen
Von den Rohrleitungen, Bauteilen und Anlagen(-teilen) wurden Thermografieaufnahmen (siehe Beispiel Abbildung 1, oben rechts) erstellt, um eventuelle Wärme- oder Kältebrücken zu identifizieren.
Auswertung
Zunächst wurden für die Detailaufnahmen und anschließend für alle betriebstechnischen Anlagen die Wärmeverlustberechnungen durchgeführt.
Für die Berechnung wurden beispielsweise die Anzahl an Pumpen, Armaturen und Flansche je Nennweite berücksichtigt und neben den aufgenommenen Daten auch verfügbare Pläne, Schemata und Gebäudeleittechnik-Auszüge zur Auswertung herangezogen. Weiter wurden die Rohrleitungslängen je Nennweite (DN) erfasst (siehe Tabelle 1). Die Rohrleitungen wurden wiederum differenziert in Rohrleitungen ohne Dämmung und mit Dämmung, wobei unterschieden wurde, ob die Dämmung älter als das Jahr 1990 war.
Tabelle 1: Rohrleitungslängen (links) und Anzahl an großen und kleinen Armaturen, Pumpen und Flansche je Nennweite (rechts) in einem der untersuchten Betriebe
Abbildung 2 stellt die Rohrleitungslängen in den verschiedenen Unternehmen je Nennweite dar. Der größte Anteil der Rohrleitungen weist eine Nennweite von DN 10 bis DN 65 auf, da diese Nennweiten meist für die Raumwärmebereitstellung eingesetzt werden. Nennweiten von DN 200 oder größer kommen häufig nur in großen Unternehmen für die Bereitstellung von Prozesswärme vor.
Abbildung 2: Rohrleitungslängen je Betrieb nach Nennweiten
Um die Wärmeverluste der nicht gedämmten Bauteile, wie z.B. Armaturen, Pumpen und Flansche, zu bestimmen, wurde vom FIW ein Wärmebrückenkatalog im Rahmen der Erstellung der VDI 4610 /VDI 02 12/ entwickelt. Der Wärmebrückenkatalog wird Bestandteil des Blattes 2 der Richtlinie sein, welches Mitte 2013 in den Gründruck geht. Aus Messungen und Simulationen wurden für jedes Bauteil Formeln zur Berechnung der Wärmeverluste hergeleitet. Die Wärmeverluste sind nach Temperaturniveau und Nennweite in Tabellen im Wärmebrückenkatalog dargestellt.
Die Verluste von Rohrleitungen wurden im Rahmen des Projektes mit Hilfe des Software-Tools ISOWTC /ISOWTC 02 11/ berechnet.
Gesamtwärmeverluste
Die Wärmeverluste der einzelnen Bauteile, Rohrleitungen und Anlagen(-teile) wurden anschließend zu einem Gesamtwärmeverlust zusammengefasst. Tabelle 2 zeigt den Gesamtwärmeverlust eines untersuchten Betriebes. Es erfolgte eine Differenzierung nach Temperaturniveaus (Raumwärme, Dampf und Prozesswärme) und Bauteilen, Rohrleitungen und weiteren Komponenten.
Tabelle 2: Beispiel für die aktuellen Gesamtwärmeverluste eines Betriebes
Die Gesamtwärmeverluste aller untersuchten Betriebe sind in Tabelle 3 dargestellt. Hohe prozentuale Wärmeverluste bezogen auf den Gesamtbrennstoffverbrauch implizieren nicht gleichzeitig eine schlechte oder fehlende Dämmung im Betrieb.
Tabelle 3: Gesamtwärmeverlust aller untersuchten Betriebe
Einige Betriebe besitzen ein weit verzweigtes und langes Rohrleitungssystem, was trotz Dämmung hohe Wärmeverluste aufweist. Wichtig ist es daher zu wissen, wie hoch der Anteil an nicht gedämmten Rohrleitungen, Bauteilen und Anlagen(-teilen) in einem Unternehmen ist. Abbildung 3 zeigt die Anteile der Wärmeverluste pro Betrieb an gedämmten und ungedämmten Rohrleitungen und Bauteilen. Der Begriff „andere Komponenten“ beinhaltet beispielsweise Anlagen wie Heizkessel, Heißwassertanks, Öfen oder Prozessbehälter. Bei diesen war eine Differenzierung nach gedämmten und ungedämmten Bereichen nicht möglich.
Abbildung 3: Verhältnis der Wärmeverluste durch gedämmte und nicht gedämmte Rohrleitungen und Bauteile sowie weitere Komponenten
Einsparpotenzial
Nach der Bestimmung der Gesamtwärmeverluste der Betriebe werden zwei Varianten zur Energieeinsparung untersucht. Variante 1 stellt das Potenzial durch Dämmen aller ungedämmten Rohrleitungen und Bauteile dar. Hierbei wurde die Dämmdicke mit den geringsten Lebenszykluskosten gewählt. Es wurde jedoch berücksichtigt, dass nicht alle Bauteile (z.B. ältere Pumpen) gedämmt werden können.
In Variante 2 wird zusätzlich zu den Maßnahmen aus Variante 1 das Potenzial durch die rechnerisch verbesserte Dämmung von bereits gedämmten Rohrleitungen ermittelt. Hierbei wurde wiederum eine Dämmdicke mit den geringsten Lebenszykluskosten unterstellt. In beiden Varianten wurde berücksichtigt, dass aus Platzgründen nicht alle BTA wirtschaftlich gedämmt werden können.
Abbildung 4 zeigt, wie die wirtschaftliche Dämmdicke nach VDI 4610 bestimmt wird. Der Ausdruck „wirtschaftliche Dämmdicke“ stellt die Dicke einer Dämmung dar, bei der die Summe aus Investitionen und Wärmeverlustkosten (Betriebskosten) über die Lebenszeit ein Minimum bilden. Mit steigender Dämmdicke reduzieren sich die Wärmeverluste eines Objektes und damit die jährlichen Betriebskosten. Im Gegenzug erhöhen sich die einmaligen Investitionen mit der Dämmdicke. Der durchgängige Graph zeigt die Gesamtkosten, welche sich aus der Summe der jährlichen Wärmeverlustkosten und der Investitionen für die Dämmung ergeben. Das Minimum des Graphen markiert die wirtschaftliche Dämmdicke. Bei der Umsetzung sollte grundsätzlich auch eine Erhöhung der Dämmung auf die nächste Dämmschicht (jeweils dargestellt als Sprung in der Funktion) geprüft werden, da dies zu einem deutlichen Energieeinsparpotenzia aber nur zu einer geringen Steigerung der Investitionen führt.
Abbildung 4: Bestimmung der wirtschaftlichen Dämmdicke nach /VDI 4610/
Die Berechnung der wirtschaftlichen Dämmdicke wurde ebenfalls mit dem Programm ISOWTC durchgeführt. Unterschreitet die so berechnete Dämmdicke jedoch die Vorgabe der aktuellen Energieeinsparverordnung (EnEV) (/ENEV 01 09/) oder die bereits vorhandene Dämmung, wird die Variante mit der größten Dämmdicke gewählt.
Ergebnisse
Die Tabelle 4 zeigt die Wärmeverluste der Betriebe im Ist-Zustand sowie die möglichen Einsparungen durch zusätzliche Dämmung nach den Varianten 1 und 2. Die Wärmeverluste der betriebstechnischen Anlagen der untersuchten Betriebe machen im Ist-Zustand zwischen 6 % und 20 % des Gesamtbrennstoffverbrauchs aus. Das Mittel der Wärmeverluste am Gesamtbrennstoff¬verbrauch beträgt 15 %.
Tabelle 4: Wärmeverluste im Ist-Zustand und nach den Varianten 1 und 2
Das Einsparpotenzial durch Dämmen der bislang ungedämmten Bauteile und Rohrleitungen (Variante 1) liegt zwischen 1 % und 5 % des Gesamtbrennstoff-verbrauchs, im Mittel sind es ca. 3 %. Der theoretische Ersatz bestehender Dämmungen durch eine wirtschaftliche Dämmdicke bei Rohrleitungen (Variante 2) ergibt eine Erhöhung des für Variante 1 berechneten Einsparpotenzials um weitere 1 % des Gesamtbrennstoffverbrauchs.
Die Einsparungen in Variante 2 sind mit höheren Investitionen verbunden, da auch Kosten für die Demontage der aktuellen Dämmung entstehen. Es empfiehlt sich daher, die wirtschaftliche Dämmdicke von Rohrleitungen schrittweise bei Revisionen zu realisieren.
Werden die Einsparpotenziale auf die Wärmeverluste bezogen, können diese in den untersuchten Betrieben durch die Variante 1 um 23 % und durch Variante 2 um 30 % reduziert werden (vgl. Abbildung 5).
Abbildung 5: Wärmeverluste der untersuchten Betriebe im Ist-Zustand und nach den Varianten 1 und 2
Abbildung 6 veranschaulicht die Einsparpotenziale der Varianten 1 und 2 unterschieden nach Temperaturniveaus. Die größten Einsparungen können durch die Dämmung von Rohrleitungen und Bauteilen im Bereich von 110 bis 250 °C erreicht werden. Bei Medientemperaturen über 250 °C muss Berührungsschutz gewährleistet sein, weshalb das Potenzial – trotz des hohen Temperaturniveaus – für beide Varianten vergleichsweise gering ist. Die prozentualen Einsparungen von 23 % bzw. 30 % werden in Abbildung 5 nochmals auf die verschiedenen Temperaturniveaus aufgeteilt.
Abbildung 6: Einsparpotenzial für die verschiedenen Temperaturniveaus
Zusammenfassung
Die Detailuntersuchung von sechs Unternehmen unterschiedlicher Branchen zeigte, dass durch die Dämmung von betriebstechnischen Anlagen ein wesentlicher Beitrag zur Energieverbrauchs- und CO2-Reduktion und somit auch zum Klimaschutz geleistet werden kann. Allein durch das Dämmen bisher ungedämmter Bauteile und Rohrleitungen können die Wärmeverluste in den untersuchten Betrieben um 23 % reduziert werden (vgl. Abbildung 6). Durch die wirtschaftliche Dämmung bereits gedämmter Rohrleitungen könnten die Verluste um weitere 7 % vermindert werden.
Nachfolgend sind einige wichtige Erkenntnisse aus dem Projekt zusammengefasst:
- Die Bestimmung der Gesamtwärmeverluste eines Betriebes ist sehr zeitintensiv.
- Der Anteil der „Gesamtwärmeverluste am Brennstoffverbrauch“ spiegelt nicht die Dämmqualität im Betrieb wider.
- Die realisierbare Dämmstärke hängt vom verfügbaren Platz ab. Es ist nicht möglich, alle Rohre und Komponenten zu dämmen.
- Die wirtschaftliche Dämmdicke ist in einigen Fällen geringer als die geforderte Dicke nach der EnEV.
- Die Wärmeverluste können bereits deutlich durch Dämmen von ungedämmten Rohrleitungen und Bauteilen reduziert werden.
- Ein wirtschaftlicher Austausch der existierenden Dämmungen erhöht das Einsparpotenzial nochmals.
Literatur:
ENEV–01 09
Verordnung zur Änderung der Energieeinsparverordnung. Berlin: Bundesrepublik Deutschland, 2009
ISOWTC–02 11
COM CAD Burghardt GmbH; Forschungsinstitut für Wärmeschutz (FIW): ISOWTC Wärmetechnische Berechnung für Profis in: http://www.isowtc.de/. München: COM CAD Burghardt GmbH, 2011
VDI–02 12
VDI 4610 Blatt 1: Energieeffizienz von Betriebstechnischen Anlagen – Aspekte der Wärme- und Kälteverluste, Berlin: Beuth Verlag GmbH, 2012
Download des vollständigen Artikels als PDF:
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